Vorsorge & Betreuung
An Krankheit und Tod denken wir ungern. Umso wichtiger ist, sich rechtzeitig damit auseinander zu setzen, ob man für die Fälle, in denen man selbst nicht mehr entscheidungsfähig ist, durch individuelle Regelungen vorsorgen will.
Wenn man auf Grund einer Krankheit oder Behinderung nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten ganz oder teilweise selbst zu besorgen, muss vom Betreuungsgericht ein „Betreuer“ bestellt werden. Dies gilt auch für Ehepaare, denn diese sind vom Gesetz nicht automatisch zur Vertretung untereinander berechtigt!
Das Betreuungsrecht hat - neben den Gerichtskosten - erhebliche Nachteile, die für die Angehörigen, die durch die Krankheit der betroffenen Person ohnehin belastet sind, das Verfahren beschwerlich machen können:
Vor der Entscheidung des Gerichts müssen Anhörungen des Betroffenen erfolgen, Sachverständigengutachten eingeholt und häufig ein externer „Verfahrenspfleger“ der die Rechte des Betreuten schützen soll, bestellt werden. Angesichts der Personalknappheit an den Amtsgerichten kann dies u.U. lange Zeit in Anspruch nehmen - Zeit die bei wichtigen und eiligen Entscheidungen (z.B. Grundstückskaufverträgen, Fortführung eines Betriebes o.ä.) zu erheblichen Nachteilen führen kann. Dieses Verfahren kann sich zudem mehrmals wiederholen, wenn neue Aufgabengebiete für den Betreuer hinzukommen sollen.
Der Betreuer unterliegt der regelmäßigen Kontrolle des Betreuungsgerichts. Er hat bei Beginn der Betreuung ein Vermögensverzeichnis zu erstellen und jährlich (in Ausnahmefällen, insbesondere bei Ehegatten und Kindern als Betreuer: alle zwei Jahre) einen Rechenschaftsbericht bei Gericht einzureichen.
Der Betreuer bedarf ferner für bestimmte Geschäfte der ausdrücklichen Genehmigung des Betreuungsgerichts. Dies betrifft insb. alle Formen von Grundstücksgeschäften, Erbauseinandersetzungen und Verträge über Unternehmen, die dem Betreuten gehören.
Als Alternative zum Betreuungsverfahren hat der Gesetzgeber die "Vorsorgevollmacht" ausdrücklich im BGB verankert und ihr zugleich den Vorrang vor dem gerichtlichen Verfahren eingeräumt.
Die Vorsorgevollmacht ist zumeist eine Generalvollmacht, mit der der Bevollmächtigte alle Angelegenheiten des Vollmachtgebers erledigen kann. Dies betrifft sowohl geschäftliche Dinge (z.B. Bank- und Immobiliengeschäfte, Heimverträge usw.) als auch persönliche Entscheidungen (z.B. Einwilligung in ärztliche Behandlungen).
Die Vollmacht kann inhaltlich auch auf bestimmte Bereiche begrenzt werden bzw. bestimmte Handlungen können ausdrücklich ausgeschlossen werden. Wie die Bezeichnung "Generalvollmacht" ausdrückt, ist der Wirkungsbereich der Vollmacht sehr weit: immer dann, wenn der Bevollmächtigte die Vollmacht verwendet, sind damit abgeschlossene Verträge oder abgegebene Erklärungen wirksam - selbst dann, wenn der Bevollmächtigte gegen interne Weisungen oder Wünsche des Vollmachtgebers verstößt. Die Erteilung einer Vorsorgevollmacht setzt also ein Vertrauensverhältnis voraus. Bestehen Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der möglichen Bevollmächtigen, sollte man erwägen, ob es besser ist, einen Betreuer zu bestellen und ggf. durch eine Betreuungsverfügung Einfluss auf die Auswahl des Betreuers zu nehmen.
Die Vorsorgevollmacht wird in der Regel nur für den Fall erteilt werden, dass man selbst aufgrund Krankheit oder Unfall nicht mehr entscheiden oder handeln kann. Viele Vollmachtstexte sehen deshalb vor, dass die Vollmacht erteilt wird "für den Fall, dass man seine Angelegenheiten nicht mehr selbst besorgen kann" oder dass "die Vollmacht erst mit Eintritt der Geschäftsunfähigkeit wirksam wird". Solche Einschränkungen entwerten die Vollmacht, da der Bevollmächtigte im Notfall nachweisen muss, dass der beschriebene Gesundheitszustand eingetreten ist. Dieser Nachweis ist in aller Regel nicht zu führen, schon gar nicht in der zur Verfügung stehenden Zeit. Die Vollmacht sollte daher unbedingt ab sofort im Außenverhältnis unbeschränkt gültig sein. Die gewünschten Einschränkungen vereinbart man zugleich im Innenverhältnis, also zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem.
Einige besonders schwerwiegende Entscheidungen müssen ausdrücklich in der Vollmacht aufgeführt werden, wenn der Bevollmächtigte darüber entscheiden soll; dies sind:
- die Bestimmung des Aufenthaltes, z.B. die Entscheidung über die Unterbringung in einem Pflegeheim, einer geschlossenen Anstalt oder einem Krankenhaus;
- die Entscheidung über sogenannte "freiheitsentziehende Maßnahmen";
- Erklärungen in Gesundheitsangelegen-heiten, wenn damit schwerwiegende Risiken wie Tod, dauerhafte gesundheitliche Schäden oder erhebliche unerwünschte Nebenwirkungen verbunden sind.
Daneben sollten in der Vollmacht folgende weitere Fragen geklärt sein:
- Ist der Bevollmächtige berechtigt, mit sich selbst oder als Vertreter einer weiteren Person, Verträge zu schließen (sog. Befreiung vom Verbot des § 181 BGB)? Diese Beschränkung des Gesetzes kann häufig relevant werden, z.B. wenn Ehegatten oder Eltern/Kinder gemeinsam Eigentümer eines Hauses sind oder wenn sowohl Vollmachtgeber als auch Bevollmächtigter an Unternehmen und Firmen beteiligt sind. Wird die Befreiung nicht erteilt, müsste in diesen Fällen ein Betreuer bestellt werden.
- Ist der Bevollmächtigte berechtigt, die Vollmacht ganz oder teilweise zu übertragen, z.B. wenn er selbst verhindert ist oder krank wird?
- Bleibt die Vollmacht auch nach dem Tod des Vollmachtgebers gültig? Eine solche Vollmacht kann die Nachlassabwicklung beschleunigen, insb. dann, wenn kein notarielles Testament oder Erbvertrag vorhanden ist und man deshalb auf den Erbschein warten müsste.
Grundsätzlich genügt die eigene Unterschrift für die Wirksamkeit einer Vorsorgevollmacht. Die Vollmacht kann dann jedoch nicht verwendet werden
- für Geschäfte, bei denen das Gesetz eine notarielle Beglaubigung vorschreibt, insb. bei allen Grundbuch- und Handelsregister-angelegenheiten;
- zum Abschluss von Verbraucherdarlehens-verträgen;
- für zahlreiche Bankgeschäfte, da viele Banken und Versicherungen nur Vollmachten akzeptieren, die bei der Bank selbst registriert oder vom Notar beglaubigt wurden.
Der vom Notar beurkundeten Vollmacht wird ferner eine höhere Glaubwürdigkeit beigemessen, und sie ist Nachweis dafür, dass der Vollmachtgeber bei Erteilung der Vollmacht (noch) geschäftsfähig war. Sie kann außerdem nicht verloren gehen, da der Notar immer wieder Ausfertigungen der Originalvollmacht erteilen kann.
Eine Registrierung der Vollmacht ist für die Wirksamkeit zwar nicht erforderlich, kann aber beim Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer erfolgen. Hierdurch wird gewährleistet, dass im Notfall das Betreuungsgericht informiert ist, ob ein Bevollmächtigter bestellt ist.
Sofern nichts anderes geregelt ist, bleibt die Vollmacht unbefristet wirksam, muss also nicht erneuert oder bestätigt werden.
Der Vollmachtgeber kann die Vollmacht jederzeit widerrufen. Im Falle des Widerrufs sollten unbedingt die Ausfertigungen vernichtet werden, da sonst der Anschein der Vollmacht weiterbesteht, auf den sich gutgläubige Dritte verlassen können.
Die Vollmacht endet dagegen, wenn der Bevollmächtigte selbst nicht mehr handeln kann oder verstirbt. Insbesondere bei gegenseitigen Vollmachten von Ehegatten kann erwogen werden, vorsorglich auch weitere Bevollmächtigte, wie z.B. die Kinder, in die Vollmacht mitaufzunehmen. Zu beachten ist dann jedoch, dass das Verhältnis der Bevollmächtigten untereinander juristisch präzise formuliert wird, da nicht die Gefahr divergierender Entscheidungen entstehen darf.
Von der Vorsorgevollmacht zu unterscheiden sind "Betreuungsverfügungen". Die Betreuungsverfügung ist der schriftlich niedergelegte Wunsch, wer vom Betreuungsgericht als Betreuer bestellt werden soll. Diese Verfügung ersetzt somit nicht das gesetzliche Betreuungsverfahren, sondern gibt dem Betreuungsgericht nur eine Vorgabe, wer von mehreren geeigneten Personen als Betreuer ausgewählt werden soll.
Zur Ihrem Recht auf ein selbstbestimmtes Leben gehören auch Situationen, in denen Sie selbst entscheidungsunfähig sind, zum Beispiel durch einen Unfall. Für diese Fälle gibt es die Patientenverfügung. In ihr legen Sie schriftlich fest, ob und wie Sie in bestimmten Situationen ärztlich behandelt werden möchten. So wahren Sie Ihr Selbstbestimmungsrecht und können entscheiden, welche lebenserhaltenden oder lebensverlängernden Maßnahmen für Sie getroffen werden, denn die Ärzte sind grundsätzlich an Ihren Willen gebunden. Für die Patientenverfügung gilt insbesondere:
- Sie tritt in Kraft, wenn Sie Ihren Willen nicht mehr selbst äußern können.
- Anweisungen sind für Ärzte und Vorsorgebevollmächtigte bzw. Betreuer grundsätzlich bindend.
- Sie beinhaltet im Gegensatz zur Vorsorgevollmacht nur Weisungen gegenüber behandelnden Ärzten.
- Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Ärzten und dem Vorsorgebevollmächtigtem bzw. dem Betreuer entscheidet das Gericht im Sinne des Patientenwillens.
Mit der Patientenverfügung kann man insbesondere festlegen, dass in schwersten Krankheitsfällen, bei denen man ohne medizinische Unterstützung sterben würde und keine Aussicht auf ein bewusstes Leben mehr besteht, keine weitere lebensverlängernde Behandlung, sondern nur noch eine Schmerztherapie erfolgt. Diese Erklärung ermöglicht es aus juristischer Sicht den behandelnden Ärzten, die Behandlung abzubrechen bzw. keine Behandlung mehr einzuleiten und ggf. eine Schmerztherapie zu verordnen, die als Nebenwirkung lebensverkürzend wirken kann, ohne sich strafbar zu machen. Die rechtliche Verbindlichkeit solcher Patientenverfügungen ist gesetzlich verankert. Die Patientenverfügung als solche beinhaltet jedoch keine Vollmacht, sondern nur die vorweggenommene persönliche Entscheidung zur medizinischen Behandlung, die man für den Fall, dass man nicht mehr ansprechbar ist, trifft. Zu beachten ist also, dass die bloße Patientenverfügung nicht mit einer Vorsorgevollmacht verwechselt werden darf. Wird nicht beides kombiniert, ist eine in der Patientenverfügung genannte Vertrauensperson nicht berechtigt, alle geschäftlichen und medizinischen Dinge für den Vollmachtgeber zu entscheiden. Bei einer isolierten Patientenverfügung besteht daher das Risiko, dass für diese Bereiche ein Fremder als Betreuer eingesetzt wird. Wenn Sie sich Gedanken um Ihre Zukunft machen und absichern möchten, dass Ihr Wille Vorrang hat, gibt es bei der Entscheidung zur Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung kein Entweder-Oder. Denn die eine ersetzt nicht die andere. In einer Vorsorgevollmacht bestimmen Sie, wer für Sie im Bedarfsfall vermögensrechtlich und persönlich entscheiden kann. In der Patientenverfügung definieren Sie Ihre konkreten Behandlungswünsche für Situationen, in denen Sie Ihren Willen nicht mehr äußern können. Deshalb ist es wichtig, Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung und ggf. auch eine Betreuungsverfügung zu kombinieren. So können Sie sicher sein, dass Ihr Bevollmächtigter an Ihre Wünsche gebunden und gleichzeitig ermächtigt ist, sie auch durchzusetzen.